
🧭 The Convenience Trap – Revisited
Als die Cloud wirklich ausfiel.
Es ist passiert. Am 20. Oktober 2025 stolperte Amazon Web Services (AWS) — Rückgrat eines Großteils des Internets — so hart, dass Wellen durch unzählige Plattformen liefen. Builds bei Vercel blieben hängen, APIs zeigten Timeouts, Dashboards leuchteten rot. Acht Monate zuvor hatte ich „The Convenience Trap“ geschrieben. Damals klang vieles wie Theorie. Jetzt ist es Realität.
🌪 Was geschah am 20. Oktober
Ein regionaler AWS-Ausfall löste Kaskaden-Fehlerketten aus. Die genaue Technik spielt weniger eine Rolle als das Ergebnis: Websites standen still, Deployments brachen ab, Teams erlebten, dass „Hohe Verfügbarkeit“ nicht gleich „Immuntät“ ist.
Auch Plattformen, die AWS abstrahierten – wie Vercel – wurden betroffen. Wer dort nur Deploy-Pipelines laufen hatte, merkte trotzdem: wenn die Pipeline ausfällt, stoppt die Auslieferung.
🧰 Wie wir bei Asappz reagierten
Wir hatten Glück durch Planung. Bei Asappz nutzten wir Vercel **nur für Deploy-Pipelines**, nicht als primäres Hosting. Dennoch: wenn Pipelines hängen, steht dein Releaseplan.
Innerhalb weniger Stunden entschieden wir uns, unsere Workloads auf europäische AWS-Infrastruktur zu verlagern - etwas, das längst überfällig war. Es war weniger ein Drama als eine disziplinierte technische Operation: Region wechseln, Container deployen, CI/CD-Pfad anpassen, DNS prüfen, durchatmen.
Kein Katastrophenszenario. Aber ein lauter Reminder: Was früher „nice to have“ war, ist jetzt „nicht verhandelbar“.
⚠️ Wenn Bequemlichkeit zur Fragilität wird
Das hier war der Moment, in dem der High-Tech-Regenschirm sich im Sturm nach innen drehte. Abstraktionen sind großartig — bis sie zu unsichtbaren Abhängigkeiten werden. Managed Services verschieben die Verantwortungsgrenze, bis du entdeckst: Die Grenze war immer noch bei dir.
Cloud-Resilienz ist nicht gleich Cloud-Zuverlässigkeit. Ein vertrauenswürdiger Anbieter ist nicht automatisch ein Backup.
🧠 Die Lehren aus dem Ausfall
- Vertrauen ≠ Redundanz. Verlässlichkeit ohne Backup ist Optimismus mit Marketingbranding.
- Regionenbewusstsein zählt. Eine Single-Region-Architektur ist ein einziger Ausfallpunkt mit besserer UX.
- Souveränität gilt nicht nur für Staaten. Weiß, wo dein Code läuft und wer den Stecker ziehen kann.
- Bequemlichkeit darf nie Architektur ersetzen. Die Cloud abstrahiert Infrastruktur — nicht Strategie.
🔄 Startups & SMBs: Geschwindigkeit behalten, Bremsen einbauen
Mein Standpunkt bleibt: Für frühe Teams sind Firebase, Vercel, Amplify und Co. Raketen. Nutze sie. Release schnell. Lerne schneller.
Aber: Ergänze einen Plan. Eine Umgebung außerhalb einer einzigen Region. Minimale Vendor-Abstraktion im Kernpfad. Dokumentierte Fallbacks für Deploys und DNS. Start cloud-native — wachse resilient.
🏛 CRITIS & Unternehmen: Eure Feuerübung
Für Betreiber kritischer Infrastruktur war das kein Zwischenfall – sondern ein Weckruf. Hybrid- und Souveränitätsmuster sind keine Luxusoption mehr; sie sind Voraussetzung. Halte Kernsysteme air-gapped oder souverän, nutze Public Cloud für Elastizität und Analytik und plane für elegante Degradation.
💬 Abschließender Gedanke
Die Cloud bleibt Zukunft — aber nicht die ganze Zukunft. Die klügsten Teams setzen auf Multi-Region, Multi-Provider, Hybrid. Nicht weil’s Trend ist, sondern weil’s rational ist.
TL;DR: Bequemlichkeit bringt dich ins Spiel. Resilienz hält dich im Spiel.
The Convenience Trap – Revisited: Als die Cloud wirklich ausfiel
Julian Sunten
Julian Sunten ist Gründer und Geschäftsführer der Asappz GmbH sowie ehemaliger CTO der Wohnsinn GmbH. Er gilt als Experte für skalierbare Cloudlösungen im Mittelstand und entwickelt mit Leidenschaft seit über zehn Jahren innovative Softwareprodukte.